Fussverkehrskultur

Mehr als Problemstellen auflisten -

1998 habe ich zum ersten Mal, ausgehend von einem Projekt der damaligen IG Velo Langenthal, einen Netzwiderstandskataster auch für Fussverkehr erarbeitet. Die Grundlage gab es damals bereits, eben für Velos. Der Begriff gefiel mir sehr, weil er genau das ausdrückte, was Zufussgehende häufig erleben: Die Wege, die man gehen möchte, sind voller Widerstände, mal etwas mehr, mal etwas weniger, selten ganz offen und leicht begehbar. Das Produkt fand Beachtung und wurde zu einem Pilotprojekte des ASTRA. Neben der inhaltlichen Bearbeitung probierten wir auch aus, wie der Einbezug von Laien, also von Zufussgehenden aus der Bevölkerung, funktionieren könnte. Inhaltlich-fachlich war das, trotz einem ziemlich umfassenden Vorbereitungsprogramm, eher schwierig. Den Betroffenen fehlte die Erfahrung und der selbstverständliche Fachblick. Dafür wurden eher skeptisch eingestellte Begeherinnen schnell zu richtig fanatischen FussgängerInnen. Ich vergesse nie mehr die fdp-Frau, die zwischendurch dann mal in den USA war und nach ihrer Rückkehr ganz erstaunt erzählte, dass sie eine Menge Probleme gesehen habe, die ihren Begleitern gar nie aufgefallen wären.

Später wurde aus dem Instrument des Netzwiderstandskatasters der Problemstellenkataster gemacht, der Vollzug beschränkt sich nun meistens auf die Aufnahme einiger weniger, gerade aktueller und einfach feststellbarer Problemstellen und die Funktion als „Kataster“, als Arbeitsinstrument für die Verwaltung bei Unterhalt, Sanierungen und Projektierungen wird kaum verstanden und noch weniger umgesetzt. Mit der Begrenzung auf einige wenige Problemstellen hat aber das Instrument auch eine sehr begrenzte Wirkung auf die Anlagequalität. Denn was uns Gehenden oft zu schaffen macht, sind nicht die grossen, die offensichtlichen Problemstellen, sondern eben die mehr oder weniger heftigen, mehr oder weniger sichtbaren Widerstände beim Gehen, die Pfützen am Fahrbahnrand, der löcherige Belag einer Strecke, die aufs Trottoir gestellten Bauabschrankungen, Verkaufsstände, Abfallsäcke, Kurierautos, Pöstlerkarren, die Häufung von Einschränkungen in der Breite, die ungünstigen Rabattengestaltungen, die unnötige Eingrenzung auf ein schmales Trottoir und und und... Zudem sind es in unterschiedlichen Stadtquartieren unterschiedliche Mängel, die mehr oder weniger Einfluss auf das Qualitätsempfinden haben und es kommt ausserdem auch drauf an, mit welchem Wegezweck ich als Zufussgehender unterwegs bin: Als Anwohner im Quartier habe ichs nicht gleich eilig wie als Pendler vom Bahnhof zum Büro, als Einkaufender brauch ich eine andere Qualität als wenn ich nach Feierabend auf ein Bier gehe. Darum muss ein neuer Ansatz für die Verbesserung der Fussverkehrsqualitäten in einem Ort gefunden werden. In Olten haben wir im Rahmen der Mobilitätsstrategie einen solchen, ganzheitlichen Ansatz entworfen und konkretisiert: Wir definieren das anzustrebende Fussverkehrklima in unterschiedlichen Teilräumen und Quartieren der Stadt, je nachdem, was sie für eine Funktion und für Merkmale haben. Und wiederum aufgeschlüsselt nach Teilräumen und angestrebtem Klima definieren wir dann Handlungsansätze und zeigen auf, welche Akteure in den jeweiligen Teilräumen handeln können und müssen. Erst auf diese Art und Weise nähern wir uns dem, was wir Zufussgehenden brauchen würden: Einer flächig gleichmässigen, hohen Gehqualität für alle!

 

Auszüge aus der Arbeit können bei GrobPlanung GmbH nachgefragt werden.


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