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Babylonische Gesundheit; Teil 1

Sie reden vom Gleichen und verstehen sich doch nicht: Das ist zwischen verschiedenen Disziplinen immer öfter der Fall. so auch zwischen Verkehrsplanern und Gesundheitsleuten. Das wurde mir erstmals bewusst, als ich 2007 in unserer Bürogemeinschaft mit einem Präventionsfachmann ins Gespräch kam, der in einem Projekt definieren wollte, wie denn ein bewegungsfreundlicher alltäglicher Aussenraum aussehen müsste. Basieren sollte seine Arbeit auf verschiedenen Gesundheitsstudien hauptsächlich aus angelsächsischen Ländern, die als höchstes der Gefühle nachwiesen, dass mit der Existenz eines Trottoirs erreicht werden könne, dass zehn Studenten mehr zu Fuss an die Uni gehen würden. Baut Trottoirs, Leute, war der etwas bescheidene Ertrag der Arbeiten, zugegeben etwas vereinfacht gesagt.

Zuerst wollte mein Büronachbar nicht verstehen, dass wir Fussverkehrsplaner schon seit den neunziger Jahren und dem Beginn der Strassenraumgestaltung eigentlich ja wissen, wie Verkehrsanlagen auch für Zufussgehende attraktiv würden, genau so, wie ich nicht verstand, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Bewegung im Alltag mittels medizinischer Untersuchungen nachgewiesen werden könnten. In vielen und teilweise heftigen Gesprächen näherten wir uns dann an, begannen wir zu verstehen und daraus entstand dann das gemeinsame Grundlagenpapier „Strukturelle Bewegungsförderung in der Gemeinde“ und damit erstmals ein gemeinsames Bewegungspapier von Verkehrsplanern und Gesundheitsförderern, das noch immer die Basis ist für alle Bemühungen in dieser Richtung.

Dasselbe Bild bot sich mir dann 7 Jahre später an einem Expertentreffen in Dortmund, wo sich erstmals in Deutschland Experten beider Disziplinen trafen – wobei die Planer leider stark in der Minderzahl waren. Noch immer ist das Interesse am Austausch nicht sehr verbreitet. Auch hier war die Hauptsache, zu lernen, einander zu verstehen, die gegenseitigen Fachbegriffe ins eigene Vokabular zu übersetzen und entsprechend danach handeln zu lernen.

Mittlerweile ist im europäischen Raum das Handbuch zur Bewegungsförderung in der Gemeinde „Walkability“ erschienen (Hans Huber Verlag; Jens Bucksch, Sven Schneider, Hrsg.), auch mit einem gekürzten Beitrag jenes Grundlagenpapiers aus der Schweiz, und im Kanton St. Gallen wurde auf dieser Grundlage in den vergangenen beiden Jahren erstmals ein Projekt unter Einbezug beider Disziplinen durchgeführt. Es soll nun ausgedehnt werden auf weitere Kantone. Vielleicht, dass mit der gemeinsamen Sprache auch die gemeinsame Anstrengung für einen bewegungsfreundlichen Aussenraum zu Resultaten führt, die nicht dem grossen Turmbau zu Babel gleichen sondern am Boden bleiben und helfen, dass die Bewegung im Alltag wieder attraktiv wird! Bewegungsförderung durch richtige Planung, die Grundlage dafür haben wir jedenfalls geschaffen.

 

Der Grundlagenbericht kann heruntergeladen werden unter www.strukturelle-bewegungsförderung.ch“


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